Besichtigung der Reinigungsanlage während der 42. Hauptversammlung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in Crefeld

Besichtigung der Reinigungsanlage der Stadtkanalwässer

Bei den zum Schluss der Tagung vorgesehenen Besichtigungen hatte sich eine besonders grosse Anzahl von Herren zum Besuch der Reinigungsanlage der städtischen Kanalwässer eingezeichnet.

Die Führung hatte Herr Stadtbaumeister Dr.-Ing. Krawinkel in liebens­würdiger Weise übernommen. Nach den Erläuterungen wurde mit dem planmässigen Ausbau der Krefelder Kanalisation im Jahre 1874 zunächst durch Her­stellung eines 6 km langen Auslasskanals zum Rhein begonnen; heute besteht das Kanalnetz aus 132 km Mauer- und Rohrkanälen für eine Bevölkerung von 130000 Menschen.

Das Entwässerungsgebiet der Stadt ist eingeteilt in ein Hoch­gebiet, umfassend die Altstadt und die eingemeindeten Stadtteile Bockum und Oppum und in ein Tiefgebiet, enthaltend den Rhein­hafen und den Stadtteil Linn. Bis zum Jahre 1910 wurden der Kanalisation nur die Regen- und Hausabwässer zugeführt, nach der Fertigstellung der Reinigungsanlage im Sommer 1910 wurde auch die Einführung der menschlichen und tierischen Auswurfstoffe zu­ gelassen. Von dieser Erlaubnis haben in den verflossenen 1 1/2 Jahren bereits mehr als 3000 von 10000 an die Kanalisation angeschlossenen Häusern Gebrauch gemacht.

Die Reinigungsanlage liegt weit entfernt von bebauten Stadt­ teilen an der östlichen Grenze von Krefeld. Es werden darin die sämtlichen Kanalwässer der Stadt einem Reinigungsprozess unter­ worfen, indem sie zunächst in einem Sandfang von den Sinkstoffen und sodann in einer offenen Kanalrinne mittels Hamburger Rechen von denjenigen Schwimmstoffen befreit werden, die grösser sind als 5 mm.

Der tägliche Anfall an Schmutzstoffen beträgt zwischen 8 und 30 cbm in wassersattem Zustand. Die grössten Mengen werden angescbwemmt, wenn die in längerer Trockenperiode in den Kanälen entstandenen Ablagerungen durch starke Regenniederschläge zum Abfluss gelangen. Die Rückstände des Sandfanges und der Rechen werden landwirtschaftlich verwertet. Die Anlage ist vorläufig mit zwei Sandfängen und zwei Rechen ausgestattet, die abwechselnd Tag und Nacht in Betrieb gesetzt werden, für einen dritten Sand­fang und Rechen ist ein Platz vorgesehen.

Die täglich zu bewältigenden Abwassermengen betragen 50—60 000 cbm. Die städtische Wasserleitung liefert hierzu durch­ schnittlich etwa 15000 cbm, die in Krefeld heimische Seiden indtistrie verbraucht, indes in ihren Färbereien ungleich grössere Wassermengen, die sie eigenen Brunnen entnimmt. Feststellungen in dieser Richtung haben ergeben, dass täglich 35—45000 cbm den ausserordentlich grossen Grundwasservorräten entnommen und in fast reinem Zustand den Kanälen zugeführt werden. Der die Reinigungsanlage mit dem Rhein verbindende Auslasskanal ist 2 km lang, seine Ausmündung liegt in der Sohle des Rheins, an deren tiefster Stelle unterhalb Uerdingen und etwa 21 km unterhalb Düsseldorf.

In Verbindung mit der Reinigungsanlage steht eine Pump­anlage, in der bei hohem Rheinwasserstand die aus dem Tiefgebiet zusammenfliessenden Abwässer, nachdem sie in der Reinigungs­anlage gereinigt worden sind, mittels zwei elektrisch betriebener Zentrifugal-Pumpen von 6 bzw. 20 cbm minütlicher Leistung in den Auslasskanal befördert werden.

Die bei hohem Rheinwasserstand aus dem Hochgebiet abfliessenden Schmutzwässer, werden unter Umgehung der Reinigungs­anlage direkt dem Auslasskanal zugeführt.

Die Reinigungsanlage ist hoch und luftig gebaut, sie ist überdies noch mit besonderen Entlüftungscinrichtungen versehen, die den Aufenthalt in ihr auch an heissen Sommertagen erträglich machen sollen. Diese Absicht scheint auch erreicht zu sein, bei der Besichtigung war über einen üblen Geruch nicht zu klagen.

Die Baukosten der Reinigungsanlage betrugen rund 230000 M., die jährlichen Betriebskosten belaufen sich auf 6500 M., es ent­ fallen davon auf den Kopf der Bevölkerung 5 Pf.

Die Anlage hat sich bisher in jeder Beziehung bewährt und wird auf lange Zeit hinaus allen Ansprüchen genügen.

Zum Schluss sei allen, die sich um das Zustandekommen der schönen Veranstaltung verdient gemacht haben auch an dieser Stelle nochmals herzlicher Dank ausgesprochen. Besonderen Dank aber noch der Stadt Kiefeld und deren Oberbürgermeister Herrn Dr. Johannsen für die äusserst liebenswürdige Aufnahme, die der Verein in den gastlichen Mauern der Stadt gefunden hat.

Quelle: https://hdl.handle.net/2027/iau.31858045687039

Bericht über die ordentliche öffentliche 42. Hauptversammlung des

Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, am Sonnabend, den 4. November 1911 in Crefeld. Erstattet von dem ständigen Geschäftsführer Prof. Dr. Pröbsting, Cöln