Heute feiern wir einen besonderen Tag, es ist einerseits der 40. Geburtstag des Denkmalschutzgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen. Dazu muss man wissen: Nordrhein-Westfalen war das letzte der alten Bundesländer, das ein Denkmalschutzgesetz entwickelte. Umso wichtiger ist es, sich an diesen Tag zu erinnern. Denn Denkmalschutz ist nichts rückgewandtes, sondern schaut in die Zukunft. Denkmäler wie das Klärwerk müssen erhalten werden, sie machen unsere Geschichte erlebbar und ablesbar.
Sehr zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die Erhöhung der Mittel, die für den Denkmalschutz zur Verfügung gestellt wurden.
Der zweite Grund zum Feiern ist, dass das Klärwerk bei der Denkmalförderung des Landes Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2020 berücksichtigt wird. Dringend notwendige Maßnahmen wie Dachreparaturen, Fensterabdichtung können nun begonnen werden. Juchu!
Obwohl das Klärwerk als ein herausragendes Industriedenkmal gar nicht so groß ist, wie unsere ebenso faszinierenden Zechen, Stahlwerke oder Kokereien, gibt es einige kritische Schäden an der Eisenbeton- Substanz, die dringen saniert werden müssen. Die Antragsunterlagen sind dabei recht umfangreich und die Materie ist kompliziert und muss durch Gutachten und Fachexpertise flankiert werden:
Leider ist in das Klärwerk in letzter Zeit wiederholt eingebrochen worden, durch URBEXer und durch “Sprayer”. Bei den Einbrüchen sind Schäden in Höhe von mehreren tausend Euro verursacht worden. Die Kriminalpolizei Krefeld ermittelt.
Die Breslauer Markthallen // das Krefelder Klärwerk
Die 1908 entstandenen Hala Targowa, die Markthallen I und II in Breslau, waren schon zur Entstehungszeit 1908 viel zitierte Referenzbauten des damals neuartigen Baustoffs Eisenbeton. Sie zählen zu den ersten Stahlbetonbauten Deutschlands. Siehe https://core.ac.uk/download/pdf/33434009.pdf
Da die Markthallen aufgrund ihres Tragwerks einige augenscheinliche Ähnlichkeiten zum Klärwerk haben, zudem die Gebäude annähernd zeitgleich errichtet wurden, wird hier die Frage beleuchtet, wie das Krefelder Klärwerk im Kontext zu diesen Bauten zu sehen sein kann.
Vergleich
Markthallen in Breslau
Crefelder Reinigungsanlage
Tragwerkplanung
Stahl, später in Eisenbeton geändert
Eisenbeton
Bauzeit
1906 bis 1908
1908-1909
konstruktives System
Die äussere Hülle bildet kein konstruktives System mit dem inneren Tragwerk aus Eisenbeton
Die gesamte Konstruktion, das Fundament, die Wände, das Tragwerk sind ein konstruktives System aus Eisenbeton.
Vergleich der Konstruktionen
Das Tragwerk der Breslauer Markthallen wurde als Eisen-Konstruktion geplant. Erst nach der Fertigstellung des Fundamentes, während der Bauphase, wurde das Tragwerk in eine Eisenbeton-Konstruktion umgeändert. Der Grund für den Investor war wohl: „geringere Bau- und Erhaltungskosten und gefälligeres Aussehen“. Die Fassade aber blieb gleich, neugotischer Backstein kam zur Anwendung.
Historisch betrachtet war Eisenbeton als Tragwerk zwar eine völlig neue Bauweise für die eine neuartige und eigenständige Technologie entwickelt wurde, aber er war dennoch zuerst tradierten Begriffen von Architektur und Konstruktion unterworfen, die nur in die Gegenwart übertragen wurden.
Exemplarisch galt für die Markthallen: sie nutzten innen die Vorzüge des neuen Materials, blieben aber, von aussen betrachtet, in der gewohnten Hülle aus traditionellen Materialien (Backsteinfassade) und traditionellen Formen (Neogotik). Beim Eisenbeton-Tragwerk der Markthallen wurde bezeichnenderweise durch Bemalung eine genietete Stahlkonstruktion vorgetäuscht.
Das Krefelder Klärwerk ist mit seiner monolithischen und vollständigen Eisenbeton-Bauweise in der Formensprache des Jugendstils das offensichtliche Bekenntnis zur Symbiose des Baustoffs mit der Gestalt geworden. Diese Form des „Art Nouveau“ als Gesamterscheinung des Gebäudes wurde überhaupt erst mit Eisenbeton möglich und hier konsequent umgesetzt.
Markthallen konnten vielleicht gar nicht so mutig erbaut werden, es waren die vielbesuchten Orte des pulsierenden Lebens, Eisenbeton sollte erst später seine materialtypische Formbarkeit einem großen Publikum zeigen dürfen. Auch Bauten wie die 1913 fertiggestellte Jahrhunderthalle in Breslau von Architekt Max Berg und Ingenieur Willy Gehler, Ikone der klassischen Architektur-Moderne und heute UNESCO Weltkulturerbe, waren in der Entstehungszeit noch hoch umstritten.
Das Krefelder Klärwerk zeigt jedoch schon 1909, dass der neue Werkstoff Eisenbeton seine materialtypische Formbarkeit bei der Konstruktion von Hallen bereits ausdrücken konnte.
Literatur:
Jörg Rehm, Eisenbeton im Hochbau bis 1918,
Piotr Berkowski und Marta Kosior-Kazberuk, Construction history survey as an element of technical assessment of market hall from beginnings of the 20th century
Dipl. Ing. Georg Böttcher, beton-geschichte-und-anwendung
Friedbert Kind-Barkauskas, Bruno Kauhsen, Stefan Polonyi, Beton Atlas
Emperger, Fritz: Handbuch für Betonbauten, zweite Auflage, Elfter Band, Markthallen Schlacht- und Viehhöfe, Saal- und Versammlungsbauten, Schornsteine, Fabrikgebäude und Lagerhäuser, Geschäftshäuser, Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin, 1915
Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr.11/1909
Deutsche Bauzeitung, Mitteilung über Zement, Beton- und Eisenbetonbau, Nr.8/1909
Küster H., Die städtischen Markthallen in Breslau, Zentralblatt der Bauverwaltung, XXIX, 11, 1909, s. 74-78.
Städtische Markthallen in Breslau, Schweizerische Bauzeitung, 22, 53/54, 1909, s. 310-311.
Küster H., Die Verwendung des Eisenbetons bei den Breslauer Markthallen, Deutsches Bauzeitung, VI, 8, 1909, s. 34 – 36.
Küster H., Markthalle I am Ritterplatz zu Breslau, Der Industriebau, II, 1911, s. 281 -285.
Küchle F., Die städtischen Markthallen am Ritterplatz in Breslau, Ostdeutsche Bau-Zeitung, 16, 7, 1909, s. 93-96.
Das historische Klärwerk beheimatete eine Anlage zum anheben und transportieren der Loren mit Klärgut, die wir ja vor einigen Monaten bereits wieder freigelegt hatten, [siehe Bremsberghaus].
Funktion: Auf einem doppelten eigenständigen Schienenstrang, der gut 3m Höhendifferenz auf einer Schräge überwindet, wurden die Loren mit dem Klärgut oder dem gewonnenem Sand aus dem Sandfang, auf eigenen Wagen huckepack angehoben und befördert. Aus der erhaltenen Inventarienzeichnung geht hervor, dass das Nebengebäude Bremsberghaus benannt war, die Funktion also ein “Bremsberg” ist.
Aus einer handschriftlichen Überlieferung und aus industriearchäologisch untersuchten Details wissen wir zudem, dass es sich um ein Seilbahnsystem handelte, das mit Wasser angetrieben wurde. Beide Wagen waren mit einem Drahtseil verbunden und pendelten über mehrere Rollen im oberen Teil des Gebäudes abwechselnd herauf und herunter.
Dazu nutzte man einen grossen Wassertank an der Decke des Bremsberghauses, dessen solide Aufhängung und Abstützung noch gut zu sehen ist. Das Wasser wurde offenbar in den oberen Wagen gefüllt, bis dieser schwerer wurde als der Wagen unten.
Detailzeichnung aus den Inventarienplänen:
Woher stammt diese Technik?
B wie BremsBerg, Bergbau? Das einschlägige Handbuch für “Steiger” liefert folgendes:
Bremsberg: “Auf diesen schiefen Ebenen läßt man die vollen Wagen an Seilen hinunter und nutzt die überschüssige Kraft aus, um gleichzeitig oder später die leeren Wagen aufwärts zu ziehen. Da aber durch diese Arbeitsleistung noch nicht alle überschüssige Kraft aufgebraucht wird, vernichtet man den Rest derselben in Bremsen.”
Eine Sache fällt in dieser Beschreibung auf. Der volle Wagen fährt bergab und zieht den leeren Wagen bergauf, die überschüssige Kraft wird weg gebremst.
“Ein Bremsberg ist eine Fördereinrichtung im Bergbau, bei der auf geneigter Strecke leere Wagen durch gefüllte abwärtsfahrende an Drahtseilen nach oben gezogen werden.”
Das passt so nicht, haben wir gar keine Bremsberg Seilbahn?
Im Klärwerk haben wir es offenbar mit einem anderenSystem zu tun, der volle Wagen mit dem Klärgut sollte ja aus dem tief liegenden Haus nach oben. Der leere Wagen sollte zurück ins Haus nach unten.
Funis, Funiculus, Funicular, Standseilbahn:
Funicular, von funis, lateinisch für “Seil”, im Sinne von “an einer Schnur oder einem Faden”.
Ein Funicular, auch Standseilbahn, ist ein schienengebundenes Verkehrsmittel, dessen Wagen durch ein oder mehrere Seile bewegt werden. Dadurch können auf kurzer Strecke große Höhenunterschiede überwunden werden. Es verkehren dabei zwei Wagen, die fest mit einem Drahtseil verbunden sind, das in der Bergstation über eine Seilscheibe geführt wird. Die beiden Wagen am Drahtseil halten sich ungefähr im Gleichgewicht, so dass für den Antrieb der Bahn nur kleine Kräfte aufgebracht werden müssen. Der Antrieb erfolgte in der Entstehungszeit der Funiculare oft durch Wasserballast, bis Elektromotoren sich durchsetzten.
Im Klärwerk nutzte man als Ballast Wasser.
Wasserballast?
Mit Wasser als Ballast angetriebene Seilbahn Systeme gibt es bis heute: Bei einer Wasserballast-Standseilbahn wird die Masse des in der Bergstation stehenden Wagens durch Einleiten von Wasser in einen Tank künstlich erhöht. Die Schwerkraft, welche auf die zusätzliche Masse des Wagens wirkt, zieht diesen dann talwärts, wobei der in der Talstation stehende Wagen mittels des über die Seilscheibe laufenden Drahtseils bergwärts gezogen wird. Weil mit der Fahrt die Seillänge und somit das Gewicht des Seils zwischen der Bergstation und dem talwärts fahrenden Wagen stetig zunimmt, zudem die Wagen am Ende der Strecke gebremst werden sollen um nicht anzuschlagen, muss während der Fahrt die Geschwindigkeit durch Bremsen geregelt werden.
Geschichte der Standseilbahnen und Wasserballastbahnen
Die Geschichte der Standseilbahn lässt sich bis ins Jahr 1411 zurückverfolgen, als ein solches Gerät erstmals in einem militärischen Buch dieses Jahres beschrieben wurde. Diese frühesten Standseilbahnen dienten im Wesentlichen dem Transport von Personen und Material zu Burganlagen und Festungen auf Bergkuppen.
Die Hochphase der Standseilbahnen war das ausgehende 19 Jahrhundert, die Anlagen wurden zur Beförderung von Baustoffen, auf Baustellen, bei Staudammprojekten, in den Bergen als Bergbahn für sonst schwierig zu erreichende Berggipfel, aber auch als öffentliches Personentransportsystem in Städten benutzt.
Eine der ersten Wasserballast Seilbahnen ist die Prospect Park Incline Railway an den Niagara Fällen in den USA gewesen, die 1845 eröffnet wurde.
Die erste moderne Standseilbahn die in Europa gebaut wurde, auch eine Wasserballast Standseilbahn war die 1862 zwischen Rue Terme und Croix Rousse in der französischen Stadt Lyon betriebene Anlage. Siehe https://fr.wikipedia.org/wiki/Funiculaire_de_la_rue_Terme
Erhaltene in Betrieb befindliche Wasserballastbahnen
Deutschland, Wiesbaden: Neobergbahn, 1888, in Betrieb. Als letzte Bergbahn dieses Typs in Deutschland ist die Nerobergbahn heute ein technisches Kulturdenkmal.
Schweiz, Fribourg: Funicular Neuveville – St. Pierre, 04.02.1899 Die letzte Wasserballastbahn der Schweiz. “Kein Motor treibt diese Standseilbahn an, sondern Abwasser aus der Fribourger Oberstadt. Ein ganz spezieller Duft liegt da in der Luft, wenn das Wasser in der Bergstation in den Wassertank unter dem Wagen läuft. Nach der Talfahrt wird das Wasser wieder abgelassen.” Siehe http://standseilbahnen.ch/fribourg-neuveville.html
Portugal, Braga Elevador do Bom Jesus do Monte, Die Standseilbahn ohne direkten elektrischen Antrieb wurde von Niklaus Riggenbach errichtet und ist nicht nur die älteste der Iberischen Halbinsel, sondern auch die älteste funktionstüchtige Wasserballastbahn der Welt. Details auch hier
England, Lynton und Lynmouth an der Nordküste Devons Lynton & Lynmouth Cliff Railway, 1890
Ausserdem ein interessanter Link zu den Amerikanischen Standseilbahnen. In Amerika war das Prinzip des Funicular, auch in Ausführung von Wasserballastbahnen, sehr verbreitet: Ära der amerikanischen Standseilbahnen
Egal ob Wasserballast-Standseilbahn oder Bremsberg
das Klärwerk hatte eine faszinierende Technik zum Transport der Loren. Einige Fragen bleiben noch offen. Warum ist es Bremsberg benannt?
Lag das vielleicht an den erst offenbar nachträglich angefertigten Inventarienzeichungen, diese sind mit August 1910 datiert, somit erst Jahre nach Baubeginn gezeichnet worden. Wie kamen die Stadtväter auf die Idee, diese recht komplexe Technik einbauen zu lassen, lag es am Zeitgeist, dem Boom dieser Technologie genau zu dieser Zeit?
Oder hat es mit der Industrie- und Gewerbeausstellung in Düsseldorf 1902 zu tun, da jedenfalls sind die führenden Techniker und Technologien ausgestellt worden, auch der deutsche Pionier der Seilbahntechnik, die Firma Adolf Bleichest & Co wa dort, siehe http://www.vonbleichert.eu Unsere Vermutung und mehrere Fäden unserer Forschungen führen zu dieser Ausstellung, auch und insbesondere die vollständige Eisenbeton-Konstruktion des Gebäudes hat vielleicht in Düsseldorf die nötige Inspiration gefunden.
Die Zukunft des “Bremsberges”, oder vielleicht besser “Funiculars” im Klärwerk?
Wir werden im Rahmen einer Technik AG ein funktionsfähiges Modell anfertigen, danach im Haus in einer 1:1 Rekonstruktion Tests machen und am Ende sollte die Anlage wieder in Betrieb gehen, oder?
In Gesprächen hören wir recht oft die Bezeichnung „Wasserwerk“. Oder auch nur verkürzt: „aha, ist ja Jugendstil, sieht nett aus, sollte man erhalten“. Noch vor kurzer Zeit wusste niemand mehr so recht, welche genau Funktion im Gebäude war. Man nannte es lieber „Pumpwerk“ (zugegeben, wir auch). „Das ist eine Kläranlage?“ man wollte es gar nicht glauben, dafür sieht das Klärwerk ja fast schon zu „schön“ aus. Seit der Ausserbetriebsetzung 1962 wurde es statt Abriss ab 1980 kräftig umgenutzt, auch umgestaltet. Der Grund war: seine Schönheit. „Hauptsache es ist schön“ steht auch auf „aufgeklebten“ Buchstaben, Künstler sollen diese in den 80ern angebracht haben. Es ist unbestritten „schön“.
Genauso herausragend ist aber seine technische Funktion und seine spezielle Betonkonstruktion. Dazu genauso wichtig: die tiefen Zusammenhänge, die zur Erschaffung des Klärwerks führten. Wenn wir kurz mal darüber nachdenken, welches Ausmaß die Folgen der industriellen Umwälzungen des 19. und 20. Jahrhunderts auf unser aller Leben hatten, dann wird schnell klar, dass für das Verständnis unserer Lebensweise heute, aber auch die Entwicklung in den letzten eineinhalb Jahrhunderten bis hier hin, ein „technisches Kulturdenkmal“ dies uns erklären kann.
Besondere Denkmäler wie das Klärwerk sind Schlüsseldenkmale für diese Epoche. Dennoch konkurriert der „Wert“ eines technischen Kulturdenkmals mit anderen Prioritäten. Oft genug ist ja die schöne „Form” das entscheidende, nicht die „Funktion“, der „geschichtliche Zusammenhang“. Der Erhalt und die industriearchäologische Bearbeitung sollten aber nicht hinter so manchem Kirchenbau oder auch der ein oder anderen Jugendstilvilla zurückstehen müssen. Tun sie aber.
Und das ist das Problem. Mit der Erhaltung der Einrichtungen im Gebäude steht und fällt der Wert der Anlage als ein technisches Kulturdenkmal. „Umnutzungen“ setzen aber die Zerstörung der technischen Einrichtungen voraus, eine leere Hülle würde zurückbleiben. Diese wird anschließend umgenutzt. Beim Klärwerk ist dies genau so geschehen, die Klärhalle wurde mit Betonrampen vollgestopft um es umzunutzen. Es ist ein Glücksfall, dass viele dieser „Fremdbauten“ nur oberflächlich die Erkennung seiner ursprünglichen Funktion stören, zudem auch rückgebaut werden können.
Damit der gleiche Fehler einer falschen Umnutzung nicht wieder geschieht, muss es für die Instandsetzung, den daraus erst ermöglichten langfristigen Erhalt, die Öffnung für Besucher, deutlicher Fördermittel geben, als für „nur schöne“ Denkmäler. Die ehemalige technische Funktion als ein Teil der Denkmalbedeutung des Klärwerks, setzt für Umnutzungen einen äußerst begrenzten Spielraum. Man könnte auch sagen: es gibt das Thema Umnutzung bei einem „echten“ Industriedenkmal gar nicht. Es muss so erhalten werden.
Krefeld hat einige bedeutende Denkmale, die ungenutzt waren oder es auch noch sind. Einige werden von engagierten Eigentümern entwickelt, oder auch von Initiativen „übernommen“ und es entstanden oder entstehen erstaunliche Projekte daraus:
Historisches Stadtbad Krefeld
Die Freischwimmer sind Krefelder*innen mit dem Ziel, das Stadtbad aus dem Jähre 1890 in der Neusser Straße neu zu entdecken und mit kreativen Aktionen im Rahmen einer Zwischennutzung zu beleben. Sie wollen ein Experiment wagen, das die Bedürfnisse der Bürger unserer Stadt sichtbar macht. Sehr spannendes gibt es hier: https://freischwimmer-krefeld.de
Die Familie Melcher erhält eine der bedeutenden industriellen Landmarken Uerdingens, die ehemalige Dujardin Weinbrennerei. Man kann das Gebäudeensemble bei Rundgängen durch das Brennerei Museum erleben oder aber im Restaurant Küferei speisen.
Uerdinger Werft
Die ehemalige Uerdinger Werft (jene Wasserkante am Rhein entlang) wurde über 600 Jahre als der Hafen der Stadt Uerdingen genutzt. Heute besteht sie aus einem nicht entwickelten, aber zugänglichen Uferweg und einer Vielzahl von Gebäuden ehemaliger Speditionen und Fabriken, die heute fast alle ungenutzt sind und verfallen.
Gut aufbereitete Informationen gibt es dazu und insgesamt zu Uerdingen von Horst Peterburs in die Geschichte der Rheinstadt Uerdingen. Grundsätzlich ist das gesamte Ensemble, aufgrund der Nähe zum „Chempark Uerdingen“ (das historische Bayer Werk), nur schwer umnutzbar. Die einzigartige „urbane Wasserlage“ Uerdingens wartet im Dornröschenschlaf. Geschichte und Tradition des alten Handelsortes mit einer modernen Umnutzung und diese dann mit dem historischen Ortskern Uerdingens zu vernetzen, ein Traum. Aber das ist fast schon Geschichte, die Gebäude sind in sehr desolatem Zustand. So bleibt nichts anders als Strukturen temporär umzunutzen: Was als einmalig geplante Aktion begann, ist hoffentlich nun fester Bestandteil der Kunst- und Kulturszene: Rhineside Uerdingen
Bauhaus in Krefeld
Überaus bekannt ist die Umnutzung der Industriegebäude des Bauhaus-Pioniers Ludwig Mies van der Rohe. Mies van der Rohe Business Park.
Was ist in den letzten Wochen geschehen? Wir haben vor allem Testserien zur Instandsetzung an einzelnen Bauteilen durchgeführt.
Insbesondere haben wir uns mit dem Salz auf den Wänden der Klärhalle beschäftigt. Ziel des Erhalts ist der letzte Farbauftrag, dessen Geschichte übrigens auch noch zu erforschen ist. Dazu wollen wir behutsam die Verschmutzungen entfernen aber den ablesbar gebrauchten Zustand ebenso erhalten.
Eine andere Testserie beschäftigte sich mit dem Verteilschieber. Hier haben wir untersucht ob und wie stark Eisstrahl-Verfahren helfen können, die oben auf liegende Korrosion zu entfernen. Das Problem ist hier ebenso aber das Salz sodass wir nun Rat suchen im Unesco Weltkulturerbe Rammelsberg um aus den dortigen Bemühungen Metall zu erhalten, dass in salziger Atmosphäre eingesetzt war, für uns zu lernen und ein praktikables schonendes Verfahren zu finden.
Zuletzt habe wir uns mit den Graffiti auf dem Lavabasalt beschäftigt. Diese können mit Wasserheissdampf gelöst werden. Leider ist aber der vor 111 Jahren aufgebrachte Putz auf den Außenwänden damit nicht zu reinigen. Alle Versuche führen hierbei zur Zerstörung der Bausubstanz. Vielen lieben Dank nochmal an den Sprayer „Tips“ der kräftig zum nun sehr problematischen Zustand beigetragen hat!
Nachdem wir mit dem leeren der Kanäle erst mal nicht recht weiter kommen, beschäftigen wir uns zur Abwechslung einfach mal mit dem schönen Betriebsleiter Wohnhaus.
Das Wohnhaus wurde vom städtischen Architekten Anton Rumpen geplant und ist zwischen 1921-22 erbaut worden.
Die Beschreibung in der Denkmalliste der Stadt Krefeld liest sich so: Architektonisches Hauptkennzeichen des eingeschossigen Hauses sind das sehr hohe Walmdach und die Betonung des Haupteingangs auf der Westseite des Gebäudes durch einen flachen Risalit mit Dreiecksgiebel. Der Giebel wird von einem flachen Gesimsstreifen rundum eingefasst und ruht auf zwei einfachen, lisenenartigen Vorsprüngen an den Kanten des Risalits. Die Hauptansichtsseite ist bis hin zur Position der Schornsteine streng symmetrisch um die Achse des Haupteingangs angeordnet. […] Der Haupteingang ist um das Sockelgeschoss mit den Kellerfenstern gegenüber dem Bogenniveau erhöht und besitzt eine vierstufige Freitreppe.
Das Haus war bis 2004 bewohnt (andere Quellen sagen bis 2014). Der Zustand ist leider auch hier von Vandalismus und Leerstand stark beeinträchtigt. Wir sicherten nach Übernahme erst mal das undichte Dach. Danach haben wir den Strom und Wasseranschluss reaktiviert und nun säubern wir es.
Die Zimmer sind mit Holzdielen in “Ochsenblut” lackiert. Bis auf den Flur, der sehr Wurmstichig war und entfernt werden musste, sind sie in brauchbarem Zustand. Die Fenster müssen aufgearbeitet werden, einige sind durch Vandalismus stark beschädigt.
In den Räumen waren kindische Graffiti an den Wänden, aber nachdem die “Tapeten” raus sind, ist das Geschichte. Ach ja, wenn Jemand den Künstler “Tips” aus Uerdingen kennt, schöne Grüße: wir haben Probleme mit Deinen Tags auf 111-Jahre altem Lava Basalt am Klärwerk. Du kannst bei Zeiten mal vorbeischauen und das wieder abmachen! Oder verstehst Du nichts von Kunst? Jugendstil? …
Mit der Reinigungsanlage wurden 1908 – 1910 einige wichtige Kanäle der Stadt neu erbaut. So schreibt Wilhelm Wessel, der damalige Leiter des Tiefbauamtes, 1982 in “Die Heimat” in Ausgabe 53: “Der Südsammler beginnt am Hauptbahnhof, er verläuft im Zuge Hansastraße — Oppumer Straße — Glockenspitz — Berliner Straße zur Reinigungsanlage […]. Der Südsammler ist als Betonkanal gebaut mit einem maulförmigen Profil 2,12 / 2,21m, er ist heute noch voll in Betrieb und in gutem Zustand.“
Da wir ja grade mit dem Kommunalbetrieb AöR der Stadt Krefeld in den Kanälen der Kläranlage unterwegs waren, machte es Sinn aus dem neben der Anlage verlaufenden Hauptkanal, die historischen Zu- und Abflüsse der des Klärwerks zu begutachten. Der Weg hinunter führt über eine Wendeltreppe gut 7m hinab zum Kanal. Die Anlage ist in Betrieb, bei Starkregen fließt Regenwasser durch den Kanal zum Rhein. Unten angekommen bietet sich ein tolles Panorama:
Der Zulauf der Kläranlage ist mittlerweile verschlossen, aber der historische Kettenschieber ist noch vorhanden:
Wir sind dann durch den Kanal bis zum Auslauf des Klärwerks gewandert, dort führt eine Wendeltreppe hinauf, der Auslauf selbst ist zugemauert.
Im Mai war es soweit. Mit der Hilfe der Abwasser- und Kanal- Fachleute des Krefelder Kommunalbetriebs AöR sind wir in das vergessene Kanalsystem des Klärwerks abgestiegen. Ein Abenteuer der etwas anderen Art, denn wer hat schon mal die Gelegenheit im historischen Untergrund einer denkmalgeschützten Kläranlage die Kanäle, die vor über 111 Jahren errichtet wurden und seit Jahrzehnten geschlossen sind, zu untersuchen?
Volle Schutzausrüstung samt Messgeräten und Selbstrettern waren angesagt. Dann ging es durch den alten Revisionsschacht hinunter in den Bauch des Klärwerks.
In den Kanälen war alter Schlamm unbekannter Herkunft erhalten. Ein Grund könnte sein, dass der Teil der Anlage das ehemalige Hochwasserpumpwerk war, das 1970 ausser Betrieb ging. Die Stadt Krefeld hatte eine neue Anlage direkt am Rheinufer erbaut und diese sollte dann später das gereinigte Abwasser der neuen Kläranlage am Elfrather See in den Fluss pumpen. Ob man damals den Schlamm im ersten Klärwerk vergessen hatte, oder am Ausfluss der historischen Kläranlage in den alten Hauptkanal zum Rhein eine Undichtigkeit vorlag, ist bisher unbekannt. Die Bewegungsfreiheit für uns Kanalforscher war jedenfalls eingeschränkt und wir konnten uns nur mühsam durch die Ablagerungen kämpfen.
Wir drangen vom Revisionsschacht in zwei Richtungen vor. Zuerst in Richtung Hochwasserpumpwerk und Ausflusskanal. Der Kanal selbst ist über 2m hoch, rund 2m breit und im unteren Teil mit gebrannte Tonziegeln ausgekleidet. Er ist im Fuß offenbar eben und nicht gewölbt angelegt.
Nach gut 10m erreichten wir einen der beiden Schieber die den Pumpensumpf, aus dem damals die Kreiselpumpen das Abwasser abgesaugt hatten, verschlossen. Der Schieber ist erhalten und steht in der geschlossenen Stellung.
Der Antrieb bzw Kettenzug des Schiebers ist oberirdisch in der Pumpenhalle gewesen, aber nicht erhalten. Im Untergrund sehen die Schieber dann so aus:
Interessanterweise ist der untere Teil der Kette, wenn auch stark korrodiert, erhalten. Von hier aus führt der Ausfluss-Kanal in einem weiten Bogen bis zum Hauptkanal zum Rhein.
Am Ende des Teilstücks ist eine halbrunde Struktur zu erkennen, auf dem Foto sieht es fast wie ein halb offener Schieber aus, unten im Kanal haben wir dies gar nicht bemerkt und sind aufgrund des Schlamms auch dieses mal noch nicht weiter vorgedrungen.
Zurück und auf die andere Seite des Revisionsschachtes ging es als nächstes. Dort haben wir ein Vereinigungsbauwerk entdeckt, in dem zwei der drei Kanäle der Klärhalle zusammen strömten.
Im linken Teil ist im Hintergrund eine unterbrochene Verfüllung und dann einer der gemauerten Rundbögen des Endes der Klärbecken zu erkennen. Wir konnten aufgrund des piepens der Messgeräte erst mal nicht weiter vordringen um über die Mauer dort zu blicken. Rechts ist der Kanal jedenfalls nach ein paar Metern verfüllt.
Die Klärbecken sind zur Zeit mit den Betonrampen der Umnutzung als Abwasserpumpwerk verfüllt. Aber der Denkmalschutz hat 1976 vor dem Umbau einige Fotos gemacht, hier sieht man das Ende der Klärbecken und die runde Vermauerung.
Nach dieser zumindest zum Teil erfolgreichen Mission beschlossen wir, zuerst mehr Schlamm aus den Kanälen zu entfernen. Die Frage ist aber noch, wann und wie. Danach können wir genauer die jeweiligen Enden der Kanäle untersuchen.
Wir haben zahlreiche historische Pläne und Karten zur Anlage zusammen getragen, Aussenansichten, Schnitte, Lagepläne. Was fehlt ist ein Grundriss der Kanalsysteme der Kläranlage. Und die Kläranlage hat ein Labyrinth von Kanälen, die unterirdisch verlaufen. Die eigentlichen Baupläne der Anlage sind bisher nicht gefunden worden, daher hat es uns immer schon gereizt, einen Blick in den verborgenen Untergrund der Anlage zu werfen. In der Klärhalle ist das nicht weiter schwierig, weil die Kanäle offen verlaufen. Aber von dort aus führen sie in “80er Jahre Betonrampen”, die damals die moderne Umnutzung der Kläranlage einläuteten. Es wurde Abwasser nicht mehr gereinigt, sondern mittels Schneckenpumpen angehoben, um es dann mit dem neuen Gefälle zur zweiten moderneren Krefelder Kläranlage am Elfrather See fließen zu lassen.
Genau diese Betonrampen verwehren aber auch den Blick in den weiter führenden Teil zum Auslauf der Kläranlage. Laut einigen Umbau-Plänen aus den “80ern” sieht es so aus, dass das alte Kanalsystem, da ja nicht mehr benötigt, mit Beton verfüllt sei. Ist das wirklich so? Klopfproben ergeben erste Zweifel: Es klingt ziemlich hohl. Als nächstes besorgen wir eine Endoskop-Kamera und bohren an einigen Stellen in offen liegende Verfüllungen. Die Kamera hat eine eigene Lampe, aber wir finden in den Bohrungen nichts. Es ist schwarz, die Lampenleistung reicht nicht aus den Hohlraum zu beleuchten. Oha!
Als nächstes versuchen wir einen offenbar verfüllten ehemaligen Deckel am Ende der Anlage, im ehemaligen Hochwasserpumpwerk, an einem der Standorte der nicht mehr vorhandenen Pumpen zu öffnen. Hier sind im Boden einige neuere “Betondeckel”. Los geht es, der Schlaghammer wummert, es geht erstaunlicherweise ganz gut. Nach ca. 15cm zerbröselnder Betonverfüllung erscheint ein dunkler Schacht. Ganz unten am Grund steht Wasser. Eine Lampe erhellt danach einen mit gebrannten Tonziegeln perfekt gemauerten Kanal. Im Hintergrund ist ein “Tor” zu sehen. Was wir bisher im Untergrund gefunden haben, gleichten wir mit den Standorten der Hochwasser Kreiselpumpen ab und können so nun annehmen, dass das “Tor” einer der Schieber war, der das Pumpwerk vom normalen Ausfluss abschloss, im Plan die Schnittstelle zwischen grün: abfließendes gereinigtes Wasser und gelb, dem durch die Pumpen herauszudrückendem Abwasser bei Hochwasser des Rheins.
Nach einigen Überlegungen und Skizzen beschließen wir, einen ehemaligen Revisionsdeckel im “Flur” der Anlage zu öffnen. Hier müßte ein Zustieg zum Auslaufkanal zu finden sein:
Von hier aus können wir uns ein erstes Bild mit hinabgelassenen Kameras machen. Der Abstieg den gut 4,5m unter uns liegenden Kanal ist ohne technische Vorkehrungen zu gefährlich, Schwefelwasserstoff könnte freigesetzt werden, ein geruchloses aber hochgiftiges Gas. So schicken wir lieber eine Kamera herunter:
Das sieht sehr vielversprechend aus. Eine Vereinigung aus der Klärhalle kommend ist zu sehen, der lange, lange Auslasskanal taucht im Kameralicht auf.
Keine Verfüllung, die Kanäle sind offenbar erhalten und vielleicht in einem guten Zustand. Nun packen wir die Expeditionsausrüstungen und bereiten alles für den Abstieg in die Kanäle vor. Aber erst mal schnell “Osterferien”…
Heute haben wir das letzte der drei Gegengewichte aus dem Verteilschott heraus gehangen. Die Gewichte sind etwas unhandlich, rund 600-700 Kilo pro Stück, wir haben mit drei Flaschenzügen, einem Greifzug, diversen Hilfskonstruktionen und Schlingen, einem Hubwagen das Werk vollbracht. Nun kann man etwas entspannter mit der Situation der korrodierten Eisenfachwerkträger umgehen, und sich restauratorischen Fragen dabei widmen.