Während Max von Pettenkofer in seiner “Bodentheorie” die Ausdünstungen (Miasmen) der Erde als Ursache der ansteckenden Krankheiten vermutet hatte , gelang es anderen Forschern, Mikroorganismen mit der Hilfe von Mikroskopen nachzuweisen, die als Erreger in Frage kamen. Der Druck, den Übertragungsweg genauer zu erforschen, war durch die starke Ausbreitung von Infektionskrankheiten noch größer geworden.
Robert Koch
1862-1866 studierte Robert Koch in Göttingen Naturwissenschaften und Medizin und wurde Arzt. Schon seit 1870 experimentierte er intensiv mit der Färbung von Bakterien und erprobte neuartige mikroskopische Techniken. 1877 veröffentlichte er die weltweit ersten Mikrofotografien von Bakterien. Er fotografierte dazu Keime durch sein Mikroskop hindurch, um diese zweifelsfrei zu dokumentieren.
Vierte Cholera – Pandemie
1866 wurde ganz Europa von einer weiteren Cholera- Pandemie heimgesucht, 4000 Menschen starben allein in London.
In Deutschland griff die Cholera so stark um sich, dass nur im Königreich Preußen in diesem Jahr 114.683 Personen an der Krankheit verstarben, darunter über 6.000 in Berlin.
1880 wurde Robert Koch an das kaiserliche Gesundheitsamt in Berlin berufen und entwickelte dort eine bahnbrechende Technik zur Kultivierung von Bakterien auf speziellen Nährböden. Koch stellte dazu mit Gelatine feste Platten als Nährböden her, auf denen er dann sehr kleine Mengen von erregerhaltigem Material mit einem feinen Draht aus Platin aufbrachte. Auf den “Koch’schen Nährböden” wuchsen die Mikroben in erkennbaren Kolonien. So ließen sich erstmals ohne größeren Aufwand bakterielle Kulturen im Labor züchten – und einzelne Spezies konnten gezielt erforscht werden.
1882 identifizierte Robert Koch den Tuberkulose- Erreger. Im selben Jahr führte er eine heftige Kontroverse mit dem französischen Mikrobiologen Louis Pasteur. Wegen Verfahrens- und Prioritätsstreitigkeiten, aber auch wegen der Rivalität zwischen ihren Nationalitäten, stritten die beiden Wissenschaftler untereinander und öffentlich über ihre Forschungserkenntnisse. Jahre später näherten sie sich einander jedoch wieder an.
Cholera – Forschungsexpeditionen in Ägypten und Indien
Zunächst aber beschlossen die Regierungen Frankreichs und Deutschlands, jeweils für sich geeignete Maßnahmen gegen die Cholera durch die Unterstützung der wissenschaftlichen Aufklärung zu finden. In Ägypten grassierte die Cholera erneut und drohte, durch den Schiffsverkehr des Suez Kanals, auch in Kürze als fünfte Pandemie nach Europa zu springen..
Die französische Regierung entsandte daraufhin, auf Anregung von Louis Pasteur, im Juli 1883 eine wissenschaftliche Expedition nach Ägypten. Auch Deutschland beauftragte durch Erlass vom 9. August 1883 Robert Koch als Mitglied des kaiserlichen Gesundheitsamtes mit der Leitung einer Expedition nach Ägypten.
Während der Epidemie in Ägypten wurden in offiziellen Statistiken 28.722 Tote gezählt. Koch ging aber von einer erheblich höheren Dunkelziffer aus. Die Epidemie breitete sich über die Hafenstädte Damiette, Port Said, Alexandria bis nach Kairo aus.
Die deutsche Delegation bezog ein Labor im griechischen Hospital Alexandrias und begann sogleich mit der Arbeit: Statistiken wurden erhoben, systematische Untersuchungen angestellt. Robert Koch fertigte zudem medizinisch- geographische Darstellungen an, wobei er die auftretenden Erkrankungsfälle der Cholera im Stadtplan von Damiette aufzeichnete und den Verlauf der Cholera im Detail auch räumlich und zeitlich beschrieb.
Ende Oktober hielt sich Koch in Kairo auf und beschrieb den dort drastischen Verlauf der Krankheit. Insbesondere die sanitären Gegebenheiten wurden protokolliert: „Die Wasserwerke … entnehmen ihren Bedarf an Wasser teils aus dem Nil selbst. … Die Kommission hatte Gelegenheit, bei einem Besuch der Werke Proben des unmittelbar vorher filtrierten Wassers zu sehen. Es enthielt allerlei Fasern und gröbere Partikel und zeigte eine deutliche Opaleszenz.”
Koch verglich Statistiken von hintereinander liegenden Cholera Ausbrüchen (1865 und 1883) in Alexandria und in Kairo und fand große Unterschiede zwischen den beiden Städten:
Alexandria hatte im Jahr 1865 3998 Todesfälle, aber 1883 nur noch 922.
In Kairo jedoch forderte die Cholera nach wie vor viele Opfer , die Zahl der Toten sank nicht wie in Alexandria: 1865 wurden 5600 Todesfälle geschätzt und 1883 gab es ähnlich viele (5646) Todesfälle.
Robert Koch hielt in seinen Berichten fest:
“Was hat nun der Stadt Kairo die Wasserleitung genützt? so wird man fragen. Höchst wahrscheinlich würde sie ihr genützt haben, wenn die Anlage eine bessere gewesen wäre. Die Wasserleitung von Kairo kann als höchst lehrreiches Beispiel dienen, wie ein Wasserwerk nicht beschaffen sein darf, wenn es gegen Cholera nützen soll. Die Stelle für die Wasserentnahme befindet sich nämlich im Ismailia-Kanal neben der Brücke, welche von Kairo nach der Vorstadt Boulacq führt.
Quelle: Zweite Konferenz zur Erörterung der Cholerafrage im Mai 1885, Robert Koch
Als ich diese Stelle besucht habe, bot sich mir ein Anblick dar, der mich glauben ließ, dass ich nach Indien zurückversetzt sei. Am Ufer des Kanals, dicht bei dem Saugrohr wuschen Leute aus Boulacq schmutzige Wäsche, andere badeten im Kanal und reichliche Spuren von Fäkalien an den Böschungen des Kanals deuteten noch schlimmere Verunreinigungen des Wassers an.
Zur Zeit der Cholera sollen die Zustände ganz dieselben gewesen sein und vielfach Cholerawäsche aus Boulacq dort gewaschen sein. Ist allerdings das Wasserwerk mit Filtern versehen und das Wasser soll eigentlich in filtriertem Zustand geliefert werden; dies geschieht aber in so unvollkommener Weise, dass, wie mir zuverlässige Personen versicherten, bisweilen in den Häusern mit dem Leitungswasser kleine Fische zum Vorschein kamen.
Eine solche Wasserleitung ist nicht geeignet, die Cholerainfektion abzuhalten. Hier muss vielmehr eine Beförderung derselben angesehen werden.“
Nachdem in Ägypten die Cholera- Aktivität langsam erlosch, meldete Koch am 17. September 1883 nach Berlin:
“Die Kommission ist aber von dem lebhaften Wunsche beseelt, das begonnene Werk fortzusetzen und womöglich auch die ihr gestellte Aufgabe zu lösen. Sie würde es schmerzlich empfinden, wenn die bis jetzt begonnenen Resultate fruchtlos bleiben sollten. Die einzige Möglichkeit zur Fortsetzung der Untersuchung bietet sich zurzeit in Indien, wo in mehreren großen Städten insbesondere in Bombay, die Cholera noch in einem Umfang herrscht, das ein baldiges Aufhören derselben nicht zu erwarten ist.”
Quelle: Zweite Konferenz zur Erörterung der Cholerafrage im Mai 1885, Robert Koch
Weiterreise der Expedition nach Indien
Berlin genehmigte die Verlängerung der Expedition und so reiste Koch von Ägypten weiter nach Indien und traf im Dezember 1883 in der Stadt Kalkutta ein. Nachdem im dortigen Hospital das Labor eingerichtet werden konnte, wurden schnell die ersten Choleraleichen seziert und Untersuchungen und Experimente begonnen.
Schon wenige Tage später formulierte Koch die Ziele der Kommission in Kalkutta, hier verkürzt wiedergegeben: Mikroskopische Untersuchung über das Vorkommen von Bazillen in der Darmschleimhaut, Unterscheidung von anderen (Bazillen) in Gestalt und Größe, Gewinnung von Reinkulturen der im Darm der Choleraleichen gefundenen Bazillen und Benutzung dieser Reinkulturen zu Infektionsversuchen an Tieren, Bestimmung der biologischen Eigenschaften Sporenbildung, Lebensdauer, Verhalten. Desinfektionsversuche, um die Bazillen im Wachstum zu verhindern bzw. zu vernichten.
Zudem ging Koch durchaus auch auf die lokalistische Theorie von Pettenkofer ein: “Untersuchung von Boden, Wasser, Luft in ihren Beziehungen zum Cholerainfektionsstoff, namentlich in Bezug auf die Frage, ob derselbe in endemischen Choleragebieten unabhängig vom menschlichen Körper, beispielsweise an bestimmten Zersetzungsvorgängen im Boden gebunden existieren kann“.
Der Cholera – Erreger wird sichtbar
In Indien gelang erneut die Züchtung und Dokumentation der Cholera-Kulturen. Mit den neuen Züchtungsmethoden und Mikroskopiertechniken hatte Robert Koch die Mikroben schon im Labor in Alexandria sichtbar und fassbar gemacht.
Am 7. Januar 1884 berichtete er aus Indien nach Berlin, dass 9 Sektionen durchgeführt und das Material von 8 Cholerakranken bislang untersucht worden waren. Die Untersuchungen bestätigten denselben Bazillus, der bereits in Ägypten nachgewiesen werden konnte. Ganz besonders bemerkenswert war zudem, dass die nachgezüchteten Cholera – Bazillen eindeutige Formen erkennen ließen und so von anderen Mikroorganismen unterschieden werden konnten.
Noch heute sind die Vorstellungen von Gesundheit, Hygiene und Krankheit entscheidend durch diese Forschungsergebnisse und die grundlegenden Arbeiten und Schlussfolgerungen aus der Zeit Robert Kochs geprägt.
Heute wissen wir: Die Cholera ist eine Infektion des Darms, die durch bakteriell verunreinigtes Wasser oder aber genauso verunreinigte Nahrung übertragen wird. Auslöser der Krankheit ist das Bakterium Vibrio Cholerae. Rund 90 Prozent der mit dem Erreger infizierten Personen haben keine Symptome, aber sie scheiden die Bakterien in ihrem Stuhl aus.
Außerhalb des menschlichen Körpers überlebt das Bakterium nur für wenige Tage, zum Beispiel in brackigem und stehendem Wasser. In jüngsten Forschungen wurde beobachtet, dass Cholera- Bakterien in anderen aquatischen Lebewesen längere Zeit überleben konnten, sowohl Amöben (1) als auch Fische wurden als Wirte (2) ausgemacht.
Innerhalb des Menschen vermehrt sich der Keim im Inneren des Darms und produziert das Choleraenterotoxin, ein Gift. Die genaue intrazelluläre Wirkung ist in Teilen wohl immer noch unbekannt. Nach einem bis maximal fünf Tagen setzen dann heftige wässrige Durchfälle ein, zusammen mit dem Erbrechen führen diese zu einem starken Flüssigkeitsverlust des Körpers von bis zu 25 Litern pro Tag.
Die WHO gibt zum Stand der Cholera Bekämpfung an: “Forscher schätzen, dass es jedes Jahr 1,3 bis 4,0 Millionen Fälle von Cholera gibt, weltweit 21 000 bis 143 000 Todesfälle aufgrund dieser Infektion.”
Robert Koch Institut
1891 wurde Koch der Direktor des Königlich Preußischen Instituts für Infektionskrankheiten, dem heutigen Robert Koch-Institut und erhielt 1905 für die Entdeckung der Tuberkulose-Bazillen den Nobelpreis für Medizin.
Noch vor Kochs Tod im Jahr 1910 mehrten sich schon Vermutungen, dass es neben den Bakterien und den Parasiten einen weiteren, noch geheimnisvolleren Erregertyp gebe:
die Viren.
Ein spezifisches Heilmittel gegen die Cholera wurde bisher nicht gefunden, das Zeitalter der Cholera in Europa sollte noch weiter gehen.
Weiterführende Quellen:
- Archiv des Robert Koch Instituts RKI
- (1) https://actu.epfl.ch/news/the-cholera-bacterium-can-hitchhike-amoebas-to-avo/
- (2) https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2017.00282/full